5 Fragen an: Tobias Heining, Director of Business Development & Communications

Herr Heining, Sie sind Director of Business Development & Communications bei CMS Deutschland, einer der größten Anwaltskanzleien Deutschlands.

Deutschland liegt im Digital Economy and Society Index 2017 (DESI) der europäischen Kommission, der den digitalen Fortschritt von Wirtschaft und Gesellschaft abbildet, lediglich auf Platz 11 innerhalb der EC. Also im soliden Mittelfeld.

Wo liegt die deutsche Rechtsberatung im Vergleich mit anderen Branchen?

In der Gesamtheit betrachtet wahrscheinlich noch irgendwo im unteren Drittel, obwohl man da sicherlich stark differenzieren muss.

Es gibt Kanzleien wie CMS und andere, die sich bereits recht frühzeitig und intensiv mit der Digitalen Transformation und deren Auswirkungen auf die Rechtsberatung und die Zukunft der Zusammenarbeit an der Schnittstelle zwischen Mandanten, Kanzleien und alternativen Anbietern auseinandergesetzt haben.

Daher gehört CMS auch gemeinsam mit anderen Großkanzleien zum Gründungszirkel der Ende 2016 ins Leben gerufenen European Legal Tech Association (ELTA), die sich zum Ziel gesetzt hat, die Digitalisierung des Rechtsmarkts in Deutschland und Europa konstruktiv zu begleiten.

Auf der anderen Seite gibt es allerdings auch viele Kanzleien unterschiedlicher Größenordnung, die erst kürzlich Berührung mit der Thematik aufgenommen haben und zum Teil wohl noch etwas fremdeln.

Welche Eigenschaften muss eine Großkanzlei in Zukunft mitbringen, um den digitalen Wandel als Chance wahrnehmen zu können?

Das ist sicherlich eine Frage der Ressourcen und Strukturen, vor allem aber auch eine Frage des Mindset und des Vorstellungsvermögens im Hinblick auf die Chancen und Risiken, die die Digitale Transformation für die Rechtsberatung im Allgemeinen und das Geschäftsmodell einer Großkanzlei im Speziellen mit sich bringen könnten.

Dazu gehört zunächst einmal die Akzeptanz, dass die Digitale Transformation als Trend den Rechtsmarkt insgesamt und die Art, wie wir zukünftig Leistungen erbringen, womit wir die Leistungen erbringen und welche Leistungen wir als Kanzlei überhaupt erbringen, massiv beeinflussen wird.

Ebenso die Erkenntnis, dass Kanzleien, die sich nicht konstruktiv den neuen Herausforderungen stellen, mit hoher Wahrscheinlichkeit scheitern werden. Um das zu verhindern, muss sich eine Großkanzlei auf der strategischen Ebene darüber klarwerden, von welchen weitergehenden Grundannahmen sie im Rahmen dieser Überlegungen ausgeht, welche Zielsetzungen sie verfolgt und welche besonderen Herausforderungen damit verbunden sind.

Davon ausgehend muss dann in der Organisation Klarheit darüber hergestellt werden, inwieweit die Dimensionen der Prozesse, der Ressourcen und der Produkte durch die Digitalisierung entsprechend modifiziert werden müssen, um die Zielsetzungen erreichen zu können.

Schlussendlich muss aber der Wille zu Wandel und Anpassung bestehen und die für die entsprechenden Transformationsprozesse notwendigen Ressourcen bereitgestellt werden.

Das heißt am Ende Verzicht auf kurzfristige Gewinnausschüttung zugunsten längerfristiger Investition in die Zukunft.

Im Kontext von Digitalisierung wird immer auch von Plattformökonomie gesprochen. Inwiefern ist das für Sie als Director Business Development & Communications relevant? Braucht die Branche neue Erlösmodelle?

Die Frage danach, wie in Zukunft Rechtsberatungsleistungen erbracht werden, schließt natürlich nahtlos an der Schnittstelle zwischen Mandant und Kanzlei an.

Insoweit ist die aktive Mitgestaltung dieser Schnittstelle für uns als Großkanzlei immanent wichtig und Plattformökonomie muss hier sicherlich mitgedacht werden. Insbesondere auch, weil unsere Mandaten sich perspektivisch eine systemübergreifende, offene Mehrweg-Kollaboration wünschen, die Marktbarrieren eher einebnet, anstatt proprietäre Ansätze zu verfestigen.

Solche Plattformlösungen würden dann auch über den Einsatz neuartiger technologiebasierter Beratungslösungen, wie CMS sie bereits im eigenen Haus entwickelt, in einem ganz anderen Ausmaß für Großkanzleien neue Erlösmodell bzw. die Skalierbarkeit herkömmlicher Beratungsansätze und –modelle ermöglichen.

Welche Legal-Tech Unternehmen haben Sie persönlich in den letzten Jahren am meisten überzeugt?

Gute Beispiele sind sicherlich auf der einen Seite diejenigen, die im B2C-Segment über intelligente Ansätze dem Verbraucher Zugang zum Recht ermöglichen und sich damit gleichzeitig ein Marktpotenzial eröffnet haben, dass vorher komplett brachlag.

Im B2B-Bereich konnten m.E. bisher nur diejenigen überzeugen, die fokussierte, pragmatischen Lösungen für klar eingrenzbare Problemstellungen entwickelt haben.

Rechtsberatung ist ein sehr persönliches Geschäft. Der vertrauensvolle Beziehungsaufbau zwischen Berater und Mandant ist daher grundlegend. Wie hat sich dieser Beziehungsaufbau in den letzten Jahren durch die neuen Medien verändert?

Marktbeobachter wie der Rechtsabteilungsreport bestätigen, dass bewährte Zusammenarbeit und Vertrauen aktuell die wichtigsten Kriterien für die Auswahl externer Rechtsberater darstellen.

Und Mandanten verbalisieren uns gegenüber auch immer häufiger, dass perspektivisch zudem der Grad der Digitalisierung einer Kanzlei – also deren „Digital Readiness“ – eine ganz wesentliche Rolle bei der Mandatierung spielen wird.

Dazu gehört unter anderem auch, wie gut es einer Kanzlei gelingt, Mandanten rechtzeitig und maßgeschneidert mit wesentlichen Informationen und Know-how zu versorgen, sie über relevante Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten und insgesamt in einen engeren Dialog mit Mandanten zu treten.

Bei CMS bespielen wir mittlerweile eine große Bandbreite von Kommunikationskanälen mit genau diesem Ziel. Insoweit haben die neuen Medien uns als Großkanzlei großartige Möglichkeiten eröffnet, Mandatsbeziehungen auf- und vor allem auch auszubauen.

Vielen Dank für das Interview!

Seit Ende 2013 leitet Tobias Heining als Director Business Development & Communications (BD&C) die Bereiche Geschäftsentwicklung, Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Client Relationship Management sowie die damals neu gegründete Abteilung Products bei CMS in Deutschland.

Vor seinem Wechsel zu CMS Anfang 2009 war Tobias Heining knapp vier Jahre in der externen PR-Beratung für deutsche und internationale Anwaltskanzleien sowie danach mehr als dreieinhalb Jahre als Marketing Manager einer US-Sozietät in Deutschland tätig.

Zu CMS kam er zunächst als Business Development Manager für den Transaktionsbereich und übernahm 2011 die Leitung der Business Development Einheit.

Mit dem Thema „Produktentwicklung in Anwaltskanzleien“ und den damit verbundenen Auswirkungen auf den Rechtsmarkt und die Geschäftsmodelle der Zukunft beschäftigt sich Tobias Heining bereits seit 2007. Dazu gehört auch die übergeordnete Digitalisierungsstrategie von CMS in Deutschland.

Tobias Heining hat Geschichte, Politik und Kommunikationswissenschaften an der Freien Universität Berlin studiert sowie berufsbegleitend Betriebswirtschaft.

Hintergrundinformationen finden Sie auch in unserer Studie: Wie nutzen deutsche Top Großkanzleien Social Media? Einblick in die Top 20.

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