Innovationsbooster Metaverse? Das deutsche Gesundheitswesen am digitalen Wendepunkt

Ein Interview mit Tobias Leipold über Potenziale des Metaversums für das Gesundheitswesen, aber auch auftretende Befürchtungen bei Experten und deren Einordnung.

Im Rahmen unseres Newsletters beschäftigen wir uns in der aktuellen Ausgabe mit dem Thema “Metaverse”. 

Spätestens als aus Facebook „Meta“ wurde, ist das Thema „Metaverse“ auch in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Aktuell wird es kontrovers diskutiert. Für die einen ist es die nächste digitale Revolution, für die anderen ein Hype, der kritisch beäugt und kommentiert wird. 

Dazu habe ich mit Tobias Leipold gesprochen, E-Health-Vordenker und Mitbegründer sowie ehemaliger Co-CEO der eHealth-Tec GmbH, die Teil der Zur Rose-Gruppe ist.

Tobias Leipold war TOP-Innovator 2021 und hat maßgeblich zur Digitalisierung des Gesundheitswesens beigetragen, indem er die technische Entwicklung des eRezepts vorangetrieben hat und mit dem Unternehmen/Produkt Clinpath (später als ERPath als Teil der eHealth-Tec GmbH) für den Konzern Zur Rose die Notaufnahmen Deutschlands digitalisiert hat. Aktuell ist er Vice President CS bei CGI einem der größten IT- und Business Consulting Unternehmen der Welt.

Tobias Leipold über das Metaverse, die Digitalisierung des Gesundheitswesens und den Mut, auszuprobieren und nicht vorschnell zu urteilen

Als Vordenker im Kontext der Digitalisierung des Gesundheitswesens bewegst Du Dich oft zwischen Trend und Realität. Das Markktforschgsinstitut Gartner schätzt, dass im Jahr 2026 rund 25 Prozent der Menschen mindestens eine Stunde am Tag im Metaverse verbringen werden. Der transformative Fortschritt im Gesundheitswesen scheint auch offensichtlich. So werden beispielsweise Ärzteteams in der Lage sein, neue Verfahren zu erlernen, ohne sich physisch im selben Operationssaal aufzuhalten.

Welche Innovationskraft traust Du dem Metaverse für das Gesundheitswesen zu?

Eine sehr hohe Innovationskraft. Ich vergleiche das gerne mit dem Internet: 1998 wurde das erste 56 K Modem verkauft. Bereits 10 Jahre vorher wurde ein transatlantisches Glasfaserkabel in Betrieb genommen. Und heute sind wir beim eRezept angekommen.

Erst wenn Geschäftstüchtigkeit und Kreativität zusammen kommen, entsteht richtige Innovation, die auch in der breiten Masse ankommt. Und aktuell sehe ich diesen Schritt im Kontext Metaverse und Gesundheitswesen an ebendieser Schwelle. Eine sehr interessante Zeit also.

Natürlich kann auch das Metaverse die persönliche Zuwendung und das Handauflegen nicht ersetzen – oder eben doch?

Wir haben derzeit schon ein sehr großes Defizit an Pflegekräften und Ärzten und das wird in den nächsten Jahren nicht einfacher. Wir müssen hier neue Methoden und Technologien finden und es wird uns dann gelingen, wenn wir das Metaverse optimal verbinden mit der realen Welt – also bspw. der OP in einer Klinik. Hier kann Diagnose und Weiteres schon viel schneller stattfinden und der Patient kommt besser und schneller vorbereitet zur OP.

Mehr als 80 % der Führungskräfte im Gesundheitswesen glauben, dass das Metaverse in Zukunft positive Auswirkungen auf den Gesundheitssektor zeigen wird. Wie schätzt Du Chancen und Risiken ein?

Die Chancen liegen auf der Hand: Apothekenbesuch im Metaverse und direkte Lieferung nach Hause vor die reale Haustür, digitale Zwillinge in Forschung und Therapie, sodass wir Therapien vorab viel besser vorbereiten und testen können oder auch die vielfältigen Möglichkeiten Krankenhäuser virtuell zu machen. Da kommt einiges – das wird spannend.

Klar gibt es auch Risiken, in einem noch unbespieltem Raum kann noch nicht alles geklärt sein. Aber es liegt nun an uns, die vorhandenen Chancen produktiv zu nutzen. Da stimme ich mit meiner Einschätzung den befragten Führungskräften überein. 

Das deutsche Gesundheitssystem liegt bei der Digitalisierung bekanntlich nicht gerade auf den vorderen Rängen. Verschlafen wir durch einen zu kritischen Umgang mit digitalen Themen möglicherweise eine große Chance auf eine enorme Verbesserung der Versorgungsqualität? 

Das stimmt, aber wir wachen langsam auf. Wir sehen den Beginn einer richtigen Bewegung – aktiv gefordert vor allem auch von uns aus der Rolle des Patienten heraus.

Wir haben gerade in der Pandemie gemerkt, wie gut digitale Lösungen uns unterstützen, wie bspw. die Telemedizin oder der einfache Umgang mit digitalen Zertifikaten. Das müssen wir jetzt aufnehmen.

Dazu müssen wir aber über Jahrhunderte gewachsene und etablierte Systeme regelrecht aufsprengen.

Die Lösungen müssen aber klar praxisprozessbezogen sein für die Medizin und es muss neuer Nutzen für unser Gesundheitssystem geschaffen werden, mit dem klaren Fokus auf Patient*Innen, die auch im digitalen Raum im Mittelpunkt stehen müssen.

Nur so lässt sich eine Akzeptanz in der Gesellschaft für Innovation im Gesundheitswesen via Metaverse herstellen.

Wir brauchen aber auch volle Transparenz, wenn es um Themen wie Datenschutz und IT-Sicherheit geht und es muss uns gelingen, den Nutzen für den Patienten und die Medizin dafür ganz klar zu kommunizieren.

Das Metaverse ist ja kein klar umrissener virtueller Raum, sondern eher ein Überbegriff für viele virtuelle Räume. Die meisten dieser Räume sind bis dato dem Konsum gewidmet. Ich denke da vor allem an Gaming-Plattformen und virtuelle Welten wie das “Decentraland”.

Dem ein oder anderen Gesundheitsexperten kommen da jetzt schon Bedenken auf, welche gesundheitlichen Folgen ein alltagsnahes Metaversum eines Tages für uns haben könnte. Realität und virtuelle Realität können bei der Nutzung offensichtlich verschwimmen. Sind das Kollateralschäden, mit denen wir lernen umzugehen oder müssen da von Anfang an strenge Regularien her?

Auch hier kann ich nur unterstreichen: Es muss Regularien geben, klar. Die müssen auch früh implementiert werden, damit ein gewisser Schutzraum entsteht.

Aber wir müssen gleichzeitig die Chancen erkennen, ohne dabei zu sehr eingeengt zu sein.

Gaming im Metaverse zum Beispiel kann zur Behandlung von ADHS eingesetzt werden. Oder auch, um ältere Menschen länger fit zu halten.

Man sieht hier: Der Nutzen muss immer im Vordergrund stehen. Für Patient*innen und Behandelnden. Es muss schneller, effektiver und sicherer werden.

Wenn Menschen im Metaverse zu finden sind und sie hier spielerisch akzeptieren, dass man Kontraindikationen checkt oder man lernt, sich so präventiv gesund zu ernähren etc. – dann ist das doch eine große Chance. Bevor wir diese Menschen in den alten Strukturen „verlieren“. 

Du bist nicht nur Vordenker, sondern auch Unternehmer. Triggern die Möglichkeiten, die das Metaverse mittelfristig bieten wird, da etwas in Dir oder bleibt es bei der Beobachtung?

Klar triggern mich diese Entwicklungen hin zu virtuellen Welten. Ich bin ein Mensch, der, wenn er Chancen sieht, diese auch gleich nutzen möchte, vor allem im Gesundheitswesen. Es kann also gut sein, dass wir uns bald im Metaverse wieder begegnen 😉 

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