Digitale Barrierefreiheit und Markenidentität: Herausforderung oder Chance?

Die digitale Barrierefreiheit wird ab dem 28. Juni 2025 durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Deutschland sowie den European Accessibility Act (EAA) auf EU-Ebene verpflichtend. Der European Accessibility Act legt fest, dass digitale Dienstleistungen barrierefrei gestaltet werden müssen. Die konkreten Anforderungen sind in den W3C Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) beschrieben, die als internationaler Standard für Barrierefreiheit gelten. Eine detaillierte Übersicht darüber, welche Unternehmen betroffen sind und wie die Umsetzung erfolgen sollte, bietet der Artikel The EAA Comes into Effect in June 2025. Are You Ready?. (W3C Web Content Accessibility Guidelines (WCAG)) (European Accessibility Act Übersicht) (The EAA Comes into Effect in June 2025. Are You Ready?).

Doch nicht alle Unternehmen sind gleichermaßen betroffen: Die Regelung gilt vor allem für Anbieter von Telekommunikationsdiensten, Online-Handel, Bankdienstleistungen, Verkehrsanbietern sowie Software und Hardware-Produkten.

Dieses Bild Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) Regelungen ist lizenziert unter CC BY-NC-SA 4.0

Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitenden sind ausgenommen. Unternehmen, die digitale Dienstleistungen oder Produkte für Verbraucher:innen bereitstellen, müssen ihre Websites, Apps und digitalen Inhalte anpassen. Hier gehts zum Check.

Während die rechtliche Umsetzung bereits eine Herausforderung darstellt, betrifft die Thematik vor allem auch die Markenidentität. Wie lässt sich Barrierefreiheit mit bestehenden Corporate Designs (CD) und Corporate Identities (CI) vereinbaren, ohne die Marken-DNA zu verwässern?

Die größten Herausforderungen auf einen Blick

Farben und Kontraste

Viele Marken haben ihre Farbwelten über Jahre hinweg entwickelt und feinjustiert. Doch nicht alle dieser Farbkombinationen erfüllen die Anforderungen an Barrierefreiheit. Ein ausreichender Farbkontrast ist essenziell, damit Menschen mit Sehbeeinträchtigungen Inhalte klar wahrnehmen können. Dies kann bedeuten, dass bestehende Farbpaletten überarbeitet oder alternative Farbtöne für digitale Anwendungen definiert werden müssen. (WCAG Farbkontraste)

Schriftarten und Lesbarkeit

Individuelle Marken-Schriften verleihen Unternehmen oft ihren unverwechselbaren Charakter. Doch sind diese auch ausreichend lesbar? Besonders filigrane oder künstlerische Schriften können für viele Nutzer:innen schwer zu entziffern sein. Die WCAG-Richtlinien empfehlen daher klare, gut skalierbare und leicht verständliche Schriften. Unternehmen müssen hier die Balance zwischen Markenidentität und Nutzerfreundlichkeit finden.

Visuelle Hierarchie und Layouts

Viele Webseiten und Apps sind optisch ansprechend gestaltet, folgen jedoch keiner klaren logischen Struktur, die für Menschen mit kognitiven Einschränkungen essenziell wäre. Eine überarbeitete visuelle Hierarchie kann notwendig sein, um eine intuitive Navigation und eine klare Informationsvermittlung zu gewährleisten – ein Schritt, der oft tief in das bestehende Design eingreift. (W3C Guidelines zur Strukturierung)

Interaktive Elemente und Funktionalität

Buttons, Links und interaktive Features müssen klar gekennzeichnet und barrierefrei nutzbar sein. Dies bedeutet z. B., dass Farbcodes nicht die einzige Möglichkeit zur Orientierung bieten dürfen und Elemente auch mit der Tastatur navigierbar sein müssen. Marken, die stark auf minimalistisches oder reduziertes Design setzen, stehen hier vor der Herausforderung, visuelle und funktionale Klarheit zu gewährleisten, ohne das ästhetische Gesamtkonzept zu opfern. (WebAIM zur Tastaturbedienbarkeit)

Barrierefreiheit

Ist Deine
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Lösungsansätze: Wie Marken Barrierefreiheit strategisch integrieren können

Flexibilität im Corporate Design

Barrierefreiheit bedeutet nicht, dass Marken ihr visuelles Erscheinungsbild radikal verändern müssen. Vielmehr geht es darum, flexible Designrichtlinien zu entwickeln, die barrierefreie Alternativen ermöglichen. Beispielsweise können Marken bestimmte Farbkontraste für digitale Medien anpassen, ohne die übergreifende Markenästhetik aufzugeben.

Schrittweise Umsetzung

Ein radikaler Umbau ist nicht notwendig – viele Marken können Barrierefreiheit schrittweise integrieren. Der Fokus sollte zunächst auf den wichtigsten Elementen wie Farbkontrasten, Schriftgrößen und Navigation liegen. So lassen sich erste Verbesserungen zügig umsetzen, ohne die komplette CI zu überarbeiten.

Zusammenarbeit zwischen Designern und Accessibility-Experten

Die erfolgreiche Umsetzung von Barrierefreiheit erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Markenstrateg:innen, UX-Designer:innen und Accessibility-Expert:innen. Testings mit betroffenen Nutzergruppen können frühzeitig aufzeigen, welche Anpassungen nötig sind und wo Barrieren noch bestehen.

Neues Verständnis von Markenführung

Barrierefreiheit sollte nicht als Einschränkung, sondern als Erweiterung der Markenwerte verstanden werden. Eine zugängliche Marke ist eine inklusive Marke – das stärkt nicht nur die Positionierung, sondern auch das Vertrauen und die Loyalität der Kund:innen. Unternehmen, die frühzeitig auf Barrierefreiheit setzen, können sich als Vorreiter im Bereich Inklusion etablieren und so langfristig Wettbewerbsvorteile sichern.

Schulung und Bewusstseinsbildung im Unternehmen

Damit Barrierefreiheit dauerhaft in der Markenstrategie verankert wird, müssen alle relevanten Abteilungen – von Design bis Marketing – geschult werden. Workshops und Schulungen helfen, die Thematik tief im Unternehmen zu verankern und sensibilisieren Teams für barrierefreie Gestaltungsmöglichkeiten.

Eine zukunftsfähige Markenstrategie erfordert digitale Barrierefreiheit

Viele Unternehmen sind auf die Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) noch nicht vorbereitet – und das könnte bald zu echten Herausforderungen führen. Besonders kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit digitalen Angeboten unterschätzen, was auf sie zukommt. Online-Buchungssysteme, Websites oder digitale Dienstleistungen müssen barrierefrei sein – doch oft fehlt das Bewusstsein, technisches Know-how oder die richtigen Ressourcen.

Die Umsetzung scheint komplex, und klare Sanktionen gibt es bisher kaum. Doch ab 2025 wird Barrierefreiheit zur Pflicht, und wer sich nicht anpasst, riskiert nicht nur rechtliche Konsequenzen, sondern auch den Verlust von Kund:innen. Unternehmen, die frühzeitig handeln, können sich dagegen Wettbewerbsvorteile sichern – und für alle Nutzer:innen eine bessere digitale Erfahrung schaffen.

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Foto von Kelly Sikkema auf Unsplash

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