In den letzten Jahren hat sich auch bei den mittelständischen Unternehmen viel getan hinsichtlich Digitalisierung und auch digitaler Transformation. Dennoch beobachten wir in der Praxis, dass auch heute noch viele mittelständische Unternehmen mit unterschiedlichen großen Hürden bei der digitalen Transformation zu kämpfen haben.
In der Folge beschreiben wir 15 Hürden, die unserer Erfahrung bei mittelständischen Unternehmen anzutreffen sind:
- Unklare Wirkungsfelder
- Unklare, unbestimmte Reife des Unternehmens
- Keine Strategie für das Vorgehen
- Fehlende Ziele in der digitalen Transformation
- Ungenügende vorhandene Ressourcen
- Ungenügend vorhandenes Know-How
- IT-Infrastruktur
- Zusammenarbeit der IT und Business
- Falsche Sicht auf Kosten
- Richtiges Mindset und Denken in Chancen
- Fehlende aktive Organisationsentwicklung
- Ungeeignete Unternehmensstruktur
- Kultur als Verhinderer
- Ungenügende Bedeutung der Prozessgestaltung
- Fehlende Bereitschaft zur Dualität
Unklare Wirkungsfelder
Eine Hürde, die uns im Kontakt mit Unternehmen immer wieder begegnet, ist die Unwissenheit. Was bedeutet digitale Transformation konkret? Welche Bereiche betrifft es?
Mittelständische Unternehmen wissen oft nicht, was die Wirkungsfelder der digitalen Transformation sind und damit, wo sie mit ihren Transformationsbestreben wirksam werden können und sollten. Unserer Erfahrung nach wird stattdessen die digitale Transformation oftmals zu groß gedacht und angegangen – wie ein riesiger Berg, den es in einem einzigen Lauf zu überqueren gilt. Dabei sind es vielmehr verschiedene Pfade, die miteinander oder nacheinander gegangen werden können. Welche Wirkungsfelder hierbei relevant sind, zeigen wir in den 9 Feldern der digitalen Transformation. Dabei wird ersichtlich, dass jedes mittelständische Unternehmen die digitale Transformation angehen und meistern kann. Jedes Unternehmen beginnt dabei mit dem Wirkungsfeld (oder mit den Wirkungsfeldern), welches am wirksamsten oder naheliegendsten ist (z.B. weil da der größte Handlungsbedarf liegt).
Unklare, unbestimmte Reife des Unternehmens
Kennt ein Unternehmen die möglichen Wirkungsfelder der digitalen Transformation nicht, so kann es auch nicht den eigenen digitalen Reifegrad bestimmen. Für eine erfolgreiche Transformation ist es jedoch wesentlich, die digitale Reife des eigenen Unternehmens zu kennen. Dabei ist es essenziell, dies differenziert zu tun. Also die Reife für die unterschiedlichen Wirkungsfelder zu bestimmen, um so ein differenziertes Gesamtbild zu erhalten. Dies ermöglicht, die richtigen Felder in der richtigen Reihenfolge angehen zu können – und so den schnellstmöglichen und größten Nutzen bei der Arbeit am eigenen digitalen Reifegrad zu erhalten. Ohne wirksame Erfolge ist die digitale Transformation gerade bei mittelständischen Unternehmen zum Scheitern verurteilt. Zu hohe Kosten und zu viel Zeit wird dann in etwas investiert, das keinen Mehrnutzen für die eigenen Unternehmensziele liefert. Dies führt automatisch zur Verstärkung von weiteren, nachfolgend beschriebenen Hürden.
Im Artikel „Grad der digitalen Reife in mittelständischen Unternehmen bestimmen“ gehen wir auf die Bestimmung der eigenen Reife der digitalen Transformation ein.
Keine Strategie für das Vorgehen
Sind die Wirkungsfelder und der eigene Reifegrad der digitalen Transformation einem mittelständischen Unternehmen bekannt, kann das Unternehmen auch die Strategie der digitalen Transformation erarbeiten. Die Strategie bestimmt, was gemacht wird und warum es gemacht wird. Daraus kann ein optimales Vorgehen abgeleitet werden.
Eine fehlende Strategie ist eine Hürde, die nicht nur bei Mittelständischen Unternehmen anzutreffen ist – und für jedes Unternehmen verheerende Folgen hat. Weiß das Management eines Unternehmens nicht, warum es was tun soll oder warum es etwas tut, so werden die eigenen Tätigkeiten niemals zum Unternehmenserfolg beitragen. Alles was ein Unternehmen tut, Geschäftstätigkeiten, Projekte, Initiativen und Prozesse – muss auf den Unternehmenserfolg und somit die Unternehmenszielerreichung einzahlen. Entsprechend gehören in jede Strategie auch SMART formulierte Ziele.
Wir beobachten auch im Jahr 2020 noch, dass viele Unternehmen ohne Strategie die digitale Transformation angehen wollen. Dies zeigt sich im Alltag oft an Insellösungen und einzeln laufenden Projekten. Die digitale Transformation kann jedoch nicht als Silo-Maßnahme erfolgreich bestritten werden. Sie betrifft das ganze Unternehmen.
Wichtig bei der Strategie ist dazu, dass sie schnellstmöglich zum Leben kommt. Und nicht ein Papier in einer Schublade bleibt. Entsprechend wichtig ist es, diese im Unternehmensalltag von mittelständischen Unternehmen zu etablieren.
Fehlende Ziele in der digitalen Transformation
Ziele sind deshalb so wichtig, weil von ihnen konkrete Massnahmen abgeleitet werden, welche zur Zielerreichung beitragen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die einzelnen Tätigkeiten bei der digitalen Transformation einen unmittelbaren Mehrwert liefern und damit die Ziele erreicht werden können. Oftmals werden verschiedenen Initiativen und Maßnahmen von mittelständischen Unternehmen ergriffen, die jedoch nicht auf übergeordneten Zielen einzahlen. Z.B. es wird versucht, agiler zu arbeiten. Dies hat zur Folge, dass die losen Initiativen und Maßnahmen nicht wirksam sind. Es ergibt sich daraus keinen wirksamen Fortschritt für das Unternehmen in der digitalen Transformation oder für einen größeren Unternehmenserfolg. Dies führt wiederum zu großen Frustrationen bei allen Beteiligten und verhindert eine gelingende Transformation für das mittelständische Unternehmen.
Empfehlenswert ist es unsererseits, dass die Ziele der digitalen Transformation immer auch auf die Unternehmensziele abgestimmt sind. Die Unternehmensziele bestimmen die Reihenfolge und Prioritäten bei der Erarbeitung eines hohen digitalen Reifegrads. So ist es beispielsweise nicht sinnvoll, falls ein Ziel der digitalen Transformation es ist, über eine digitale Verkaufsplattform zu verkaufen – die Erweiterung des Verkaufs jedoch gar kein Unternehmensziel ist. Vielmehr wäre es in diesem Beispiel dann sinnvoller, den bestehenden Verkauf während der digitalen Transformation zu stärken und deren langfristigen Erfolg zu sichern – zum Beispiel durch die gezielte Digitalisierung der Prozesse mittels digitalen Instrumenten.
Das Ziele als Teil der Strategie essenziell für mittelständische Unternehmen sind, zeigten wir auch in unserem Blog-Artikel „Digitalisierung von Unternehmen: ohne Ziele kaum ein Weiterkommen“.
Ungenügende vorhandene Ressourcen
Ist die digitale Transformation auch Bestandteil der Unternehmensziele oder/und zielt sie darauf ab, so hat sie eine entsprechende Priorität. Es ist nicht einfach ein Projekt das «nebenher» läuft. Entsprechend werden Ressourcen auf allen Ebenen – von den Führungskräften bis zu den Mitarbeitenden – reserviert.
Wir erleben in der Praxis leider immer noch häufig, dass die digitale Transformation bei mittelständischen Unternehmen als «Projekt nebenher» gemacht und behandelt wird, und entsprechend es nicht genügend vorhandene Ressourcen gibt. Die Arbeiten dafür kommen neben dem Daily Business zu kurz, die Erfolge bleiben aus – und das Unternehmen kommt entsprechend nicht voran. Dazu sinkt so laufend die Motivation dafür. Dies wird sich leider schmerzhaft rächen. Es ist deshalb sehr empfehlenswert, von Anfang an sicherzustellen, dass die notwendigen Ressourcen sichergestellt sind.
Ungenügend vorhandenes Know-How
Digitale Transformation bedarf Wissen und Know-How. Zwar kann mit einem Dienstleister dieses kurzfristig ins Unternehmen reingeholt werden, doch ist es unserer Erfahrung notwendig, dass dabei ein Know-How-Transfer sichergestellt wird. Dazu sollte Know-How durch neue Mitarbeiter ins Unternehmen reingeholt werden und die bestehende Belegschaft – vom Management bis zu den Mitarbeitenden – geschult werden. Eine Investition in die Weiterbildung der bereits vorhandenen Ressourcen ist immer eine Win-Win-Situation – für das Unternehmen und für alle Menschen im Unternehmen.
IT-Infrastruktur
Eine große Hürde bei der digitalen Transformation bei mittelständischen Unternehmen ist fast immer die IT-Infrastruktur. Auch im Jahr 2020 wird viel zu wenig investiert in die IT-Infrastruktur sowie das Know-How dazu. „Wir sind doch kein Tech-Unternehmen“ – hörten wir auch bereits in Gesprächen dazu. Besonders bei mittelständischen Unternehmen, die eine fokussierte Geschäftstätigkeit haben und dazu oftmals nicht sonderlich viel Investitionsbudget. Im 21-Jahrhundert sind jedoch alle Unternehmen auch Tech-Unternehmen. Die IT-Infrastruktur ist das Rückgrat eines jeden Unternehmens, wie auch der Ermöglicher. Nur wer eine zukunftsorientierte IT-Infrastruktur hat – die nicht nur das Notwendigste abdeckt sondern auch progressiv orientiert aufgebaut ist – hat die Möglichkeit in unserer schnelllebiger Zeit auf Marktveränderungen zu reagieren, sich an den Kunden und ihren vorhandenen und möglichen Bedürfnissen zu orientieren (Customer Centricity) und den Ansatz «IT follows Business» zu verfolgen.
Grundlage dafür ist, dass die IT-Infrastruktur immer aktuell gehalten wird, und bei den Budgets dafür keine Diskussionen entstehen. Es sollte allen klar sein, dass dies nicht zur Debatte steht. Erst dies macht es möglich, dass die IT-Abteilung auch progressiv investieren und die IT-Infrastruktur als flexibler Ermöglicher gestalten kann. Auch dazu muss sich das Unternehmen verpflichten, und entsprechende Budgets bereitstellen. Wichtig ist aus unserer Praxis-Erfahrung dazu, dass immer abgewogen wird, was nur Spielereien sind und was wirklich dem Business hilft und zukünftig dem Business als Ermöglicher dient. IT darf nie ein Selbstzweck sein, sondern steht im Dienste des Unternehmens und ihrer Geschäftstätigkeit.
Zusammenarbeit der IT und Business
Damit die IT auch dem Business als Dienstleister folgen und dienen kann, bedarf es einer guten Zusammenarbeit zwischen IT-Abteilung und allen anderen Abteilungen. Die IT darf nicht als «Einfach notwendig» angesehen werden. Die IT-Abteilung braucht einen entsprechenden Stellenwert im Unternehmen. Dies sollte sich auch im Management widerspiegeln, in dem die IT-Abteilung als zentrales Element des Unternehmens vertreten ist. Wird die IT-Abteilung für das wertgeschätzt, was sie tut und ermöglicht, wird es automatisch auch zu einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe kommen. Dies ist nicht möglich, wenn die IT-Abteilung immer die ist, die hinterher arbeiten muss (u.a. wegen zu wenig Ressourcen und Budgets, oder unklaren Zielen).
Falsche Sicht auf Kosten
Sowohl Investitionen in die IT-Infrastruktur, in die Organisationsentwicklung wie auch in die digitale Transformation dürfen nicht als „Kostenblock“ gesehen werden. Sobald ein Unternehmen nur über Kosten spricht, wird die digitale Transformation zum Scheitern verurteilt sein. Kurzfristig ist die digitale Transformation mit hohen Kosten verbunden. Doch ist diese auf die Unternehmensstrategie und -ziele abgestimmt, wird sie schnell zu Kosteneinsparungen (z.B. durch Effizienzsteigerung) oder neuen Erlösen (z.B. durch neue Geschäftsmodelle oder neue Markterschließung) führen.
Richtiges Mindset und Denken in Chancen
Die Sicht auf die Kosten hat unserer Erfahrung nach bei mittelständischen Unternehmen viel mit dem Mindset, also der Einstellung zu tun. Es ist essenziell, die digitale Transformation als Chance anstelle notwendiges Übel zu sehen. Durch die digitale Transformation kann ein mittelständiges Unternehmen neue Märkte erschließen, neue noch nicht dagewesene Bedürfnisse bei Kunden schaffen und bedienen, und ermöglichen, immer einen Schritt voraus zu sein. Oft ist es nur das Mindset, dass bereits Berge bewegt.
Fehlende aktive Organisationsentwicklung
Die digitale Transformation bedingt zwangsweise auch eine pro-aktive Organisationsentwicklung (siehe dazu auch «Unklare Wirkungsfelder»). Da die digitale Transformation ein Prozess ist, den eine Organisation durchläuft und verschiedene Bereiche des Unternehmens betrifft, ist es wichtig, dass diesem Rechnung getragen wird. Empfehlenswert ist es für mittelständische Unternehmen, die Organisationsentwicklung im Unternehmen zu verankern – mit genügend Ressourcen und Priorität. Die Organisationsentwicklung und damit die Auswirkungen auf die Organisation durch die digitale Transformation sollte auch entsprechend in der Strategie behandelt werden.
Die organisatorischen Veränderungen im Unternehmen dürfen nicht unterschätzt werden. Sie haben eine hohe Komplexität, welche gehandhabt werden soll. Dies kann z.B. durch systemische Organisationsentwicklung geschehen.
Ungeeignete Unternehmensstruktur
Oftmals scheitern mittelständische Unternehmen auch an den eigenen, noch ungeeigneten Unternehmensstrukturen. Diese können – durch die aktive Organisationsentwicklung als Teil der digitalen Transformation – behoben werden. Leider ist «Digital» oftmals noch heute nur eine eigene Abteilung oder einzelne Personen, und somit ein Silo im Unternehmen. Soll eine digitale Transformation ermöglicht werden, muss das «digitale Gen» sowie eine neue Denkweise im ganzen Unternehmen vorhanden sein – und entsprechend im Prozess der digitalen Transformation implementiert werden. Durch die entsprechende Berücksichtigung der Organisationentwicklung in der Strategie kann eine zu langsame Anpassung der Organisationsstruktur verhindert werden.
Kultur als Verhinderer
Neben der Unternehmensstruktur ist bei mittelständischen Unternehmen die alteingesessene Kultur eine große Hürde bei der digitalen Transformation. Es gibt zu wenig Veränderungsbereitschaft und eine mögliche Veränderung wird als Gefahr bei den Mitarbeitenden und dem Management angesehen. Um eine entsprechend gute Kultur zu ermöglichen, ist es wichtig, dass alle Mitarbeitenden im Prozess mitgenommen werden und sich den Chancen klar waren. Es sollte offen mit den Ängsten, wie Arbeitsplatzverlust durch Automatisierung, umgegangen werden und alternative Karrierewege durch das Unternehmen ermöglicht werden. Dabei ist es wichtig, dass die Kommunikation dazu proaktiv und früh im Prozess geschieht.
Die neue Kultur muss von Inhabern und Management vorgelebt werden. Nur so ist es möglich, eine Veränderung in der Kultur nachhaltig zu ermöglichen.
Eine Kulturveränderung passiert nicht über Nacht – es ist ein langer, zum Teil steiniger Weg. Doch es lohnt sich nachhaltig für das Unternehmen wie alle seine Angestellten.
Ungenügende Bedeutung der Prozessgestaltung
Da sich die digitale Transformation auf das gesamte Unternehmen auswirkt, ist es wichtig, bei der Ausführung auch der Prozessgestaltungen entsprechende Bedeutung zu geben. Effizient funktionierende Prozesse sind die Nervenbahnen jedes mittelständische Unternehmen. In der Praxis beobachten wir, dass der aktiven Prozessgestaltung zu wenig Bedeutung gegeben wird. Dies hat zur Folge, dass Prozesse adhoc geändert werden müssen oder gar nicht mehr funktionieren. Es ist deshalb unserer Erfahrung nach sehr wichtig, die proaktive Arbeit an der Gestaltung der eigenen Unternehmensprozesse sowohl in der Strategie wie auch in der Ausführung der digitalen Transformation zu berücksichtigen. Dazu sollte frühzeitig festgelegt werden, wie Prozessdaten für die Verbesserung sowie Erfolgssicherung verwendet werden können.
Prozesse sollten dazu niemals einfach nur digitalisiert werden – sondern immer dabei auch überdacht. Ein Scheiss-Prozess wird es auch digital bleiben. Die digitale Transformation mit einer proaktiven Berücksichtigung der Prozessgestaltung ermöglicht somit auch eine enorme Verbesserung der eigenen Unternehmensprozesse.
Fehlende Bereitschaft zur Dualität
«Das einte tun, das andere auch» muss das Moto bei der digitalen Transformation in mittelständischen Unternehmen sein. Daran scheitern leider viele Unternehmen. Zugegeben, eine während dem laufenden Betrieb stattfindende digitale Transformation verlangt viel ab von einer Organisation und allen Akteuren. Es ist nicht einfach, das Bestehende am Laufen zu halten, durch die digitale Transformation zu verbessern und erweitern, und dazu Neues zu tun. Doch nur eine solche Dualität macht es einem mittelständischen Unternehmen überhaupt möglich, die digitale Transformation erfolgreich zu gestalten. Kein Unternehmen kann es sich leisten, mal alles liegen zu lassen. Damit die Dualität möglich ist, bedarf es neben einer guten Strategie auch den frühzeitigen Einbezug der gesamten Organisation in den Prozess der digitalen Transformation.
Foto von Andrea Piacquadio von Pexels