„Wir machen nichts zum Spaß“, Interview mit Matthias Mehner, Leiter Social Media der ProSiebenSat.1 zu Social Media Strategie, Instant Articles und Gin Tonic

 

 Matthias_MehnerAGENTUR GERHARD: Matthias, du bist „Leiter Social Media“ bei ProSiebenSat.1 Digital und steuerst ein beachtliches Ecosystem an Social Media Maßnahmen. Mal rein quantitativ: Wie viele Social Media Channels bringt ihr dann auf die Waage und wo liegt dabei der Fokus?

Matthias Mehner: Wir liegen bei über 150 Facebook Seiten, 50 YouTube Channels, so 30 Twitter und Google+ Accounts und 10 Instagram Kanäle – plus ein bisschen Tumblr und Pinterest. Da unsere Strategie immer komplexer und mehrschichtig ist, verschiebt sich der Fokus je nach Marke mit den jeweiligen Zielen, die wir erreichen wollen (TV Sendung, eCommerce, Video on Demand)

 

AG: Das bedeutet natürlich auch hohen Aufwand: Warum macht ihr das, was wollt ihr damit erreichen? Gibt es so etwas wie eine Social Media Vision?

Matthias Mehner: Also wir machen nichts zum Spaß – wir sind ein Börsennotiertes Unternehmen. Bei den meisten Social Media Aktivitäten wissen wir sehr genau, wie der Impact auf unser Kerngeschäft aussieht. Bei anderen, nicht direkt messbaren Aufwänden sind wir entweder davon überzeugt, dass es sich für Marke, Image, Reichweite, Zielgruppe oder ähnliches lohnt, oder wir testen nur mal diesen neuen Playground um ein Gefühl dafür zu bekommen was da so gehen könnte.

 

interview matthias mehner social media

AG: Wie von dir auf der Mercedes Benz Social Media Night vorgestellt, ist eure wichtigste KPI aktuell, „Traffic auf die Website“ zu schaufeln. Warum?

Matthias Mehner: Das ist richtig. Mittlerweile kommt zwischen 30 und 60% unseres Traffic von Social Media (besonders Facebook). Unsere Webseiten sind mehr als nur die digitale Fernsehzeitung unserer TV Sender – es sind eigenständige Plattformen mit eigener Wertschöpfung und Umsatzzielen. Videos im Web zu schauen gehört ja zu den beliebtesten Beschäftigungen der Internet User, hier haben wir einiges zu bieten und Social Media hilft uns, den User da abzuholen wo er sich gerade befindet.

 

AG: Ihr organisiert euch mit dem gern genutzten „Multiple Hub and Spoke“-Ansatz. Klappt das für euch gut? Was spricht dafür, was vielleicht dagegen im operativen Alltag? 

Matthias Mehner: Wie jede Orga funktioniert natürlich auch unsere Struktur nur so gut, wie sie von jedem Mitarbeiter gelebt wird. Social Media ist bei uns organisch und mit der Zeit gewachsen. Da hat mal da ein Redakteur einen Twitter Channel aufgemacht und dort mal jemand aus dem Marketing eine Facebook Seite eröffnet. Das alles zu bündeln und in ein sinnvolles Konzept mit einer Strategie dahinter zu gießen, war eine der ersten Aufgaben in unserem Team.

Ich denke mittlerweile funktioniert es ganz gut, da die unterschiedlichen Abteilungen wissen was ihre Aufgaben sind und sich so voll und ganz darauf konzentrieren können. Ich denke, die Zeit der „Eierlegendenwollmilchsau“ muss im professionellen Kontext von Social Media Teams vorbei sein. Wir brauchen Spezialisten mit sehr unterschiedlichen Skills und einer stetigen Lernkurve.

 

AG: Als TV-Sender gilt: Je größer die Einschaltquote, desto höher sind die Werbeeinnahmen. Hilft euch denn die erzielte Reichweite durch Social Media, bessere Werbeverträge abzuschließen? Könnt ihr „das Produkt“ Nutzer im Web ebenso monetarisieren oder ist eure Social Media-Reichweite noch ein „nice to have“ für eure Werbekunden?

Matthias Mehner: In erster Linie nutzen wir unsere Channels für die Kommunikation zwischen unseren Fans und unseren Marken. Für die Werbekunden ist es natürlich sehr spannend zu sehen, in welchem Umfeld sie werben und wie die Sendungen bei der Zielgruppe ankommt. Marken wie HalliGalli oder Topmodel haben darüber hinaus natürlich auch im Social Media an Strahlkraft gewonnen und machen es so noch attraktiver für unser Partner.

 

Matthias Mehner

AG: Facebook hat am 13. Mai „Instant Articles“ vorgestellt: Dies lässt große internationale Verlagshäuser wie die New York Times, Spiegel oder Bild ganze Artikel auf Facebook publizieren. Wie bewertest du diese Entwicklung, dass Inhalte auf Facebook nicht mehr nur anteasert, sondern dort originär publiziert werden?

Matthias Mehner: Ehrlich gesagt, bin ich etwas enttäuscht von Facebook. Wir haben diesen Schritt erwartet – aber was rausgekommen ist, haut mich jetzt nicht vom Hocker. Der Content ist nicht näher beim User (schließlich muss der User/ Fan nach wie vor auf einen Post klicken um in den Artikel zu kommen) und Monetarisierung über „Standard – Mobil – Werbeformen“ sind auch nicht gerade die Innovative Weiterentwicklung.

Aber klar: Facebook wird mega Reichweite da rein schaufeln, bis es sich für alle mehr lohnt den Content direkt da einzustellen als eigene Plattformen zu betreiben (weil z.B. Linkposts keine Reichweite mehr haben werden). Ist die Abhängigkeit erstmal hergestellt, kann man sich gut ausmalen wie Facebook dann weiter machen wird – siehe 5 Jahre zurück als es noch gratis Reichweiten durch Fans gab…

Die Artikel Seiten an sich fühlen sich aber sehr gut an – tolle Optimierung für mobil! Hier werden sich ganz neue Formen von Content und Storytelling entwickeln und ähnlich wie bei den Webstars auf YouTube, werden es wohl nicht die großen Verlagshäuser und Medienkonzerne sein, die hier mit innovativen Inhalten glänzen werden.

 

AG: Wie wichtig ist für dich Media (bspw. Facebook Ads) im Zusammenhang mit Social Media? 

Matthias Mehner: Social Media ohne Budget ist einfach Community Management und damit ist Wchstum begrenzt. Paid Media ist ein wichtiger Teil von Marketing – egal ob jetzt Social, TV, Print oder ein anderes Medium – gute Kommunikation ist doch immer eine Kombination aus tollen, kreativen, relevanten Inhalten und dem entsprechendem Budget um es in der Zielgruppe bekannt zu machen.

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AG: An welchen Stellen macht es deiner Meinung nach am meisten Sinn, Agenturen und externe Dienstleister mit einzubinden? Und warum?

 Matthias Mehner: Agenturen brauchen wir immer da wo wir entweder noch nicht genug Know How oder nicht genug Ressourcen haben. Das meiste organisieren wir aber InHouse, da unser Business doch sehr speziell ist und wir bisher von den meisten Agenturen und deren Standard Lösungen eher enttäuscht waren.

 

AG: In Zeiten von Content Marketing müsstet Ihr als klassischer Content-Lieferant da ja stark im Vorteil sein. Was können andere, die keine Medien-Unternehmen sind, von euch für Social Media lernen?

Matthias Mehner: Social Media ist zu 50% einfach guter Content und definitiv haben wir da einen Vorsprung. Allerdings funktionieren unsere TV Inhalte so 1:1 natürlich auch nicht, sondern müssen entweder an das jeweilige Medium angepasst oder sogar völlig neu gedacht werden. Und dann ist es für uns sogar manchmal schwerer, die Geschichten in zum Beispiel 15 Sekunden oder 140 Zeichen zu erzählen.

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AG: Wenn Geld überhaupt keine Rolle spielen würde, wie würde dein Social Media Team aussehen?

Matthias Mehner: Zwölf Spezialisten (Stratege, Data Analyst, Performance Manager, Big Buzz Marketing Manager, Entwickler, Community Manager, Texter, Grafiker, Mediengestalter, Chefredakteur, Innovation Officer & Brand Concepter), eine Gehaltserhöhung und jede Menge Gin Tonic 😉

 

AG: Lieber Matthias, herzlichen Dank für das Interview.

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