Innovationsmanagement ist einer der großen Trends der letzten Jahre. Naheliegend, da die Digitalisierung u.a. viele neue Möglichkeiten erschafft und die Schnelllebigkeit (mit-) verursacht. Viele Unternehmen haben entsprechende „Innovation Labs“ und ähnliche Organisationseinheiten erschaffen. Dazu ist eine ganze Branche von Innovationsberatungsunternehmen entstanden.
Das effektivste Innovationsmanagement wird jedoch in den meisten Unternehmen nicht ausgeschöpft:
die Nutzung der im Alltag entstehenden Innovationen und die gezielte Förderung von diesen Innovationsideen in einem Unternehmen.
Was ist eine Innovation?
Eine Innovation beschreibt die Erschaffung von etwas Neuem. Es wird dabei nicht zwischen der gezielten und zufälligen Erschaffung unterschieden. Dazu muss das Neue auch nicht etwas komplett Neues, noch nie dagewesene, sein, sondern kann auch eine neue Umsetzung von etwas Bestehendem sein (z.B. durch neue Technologien oder eine neue Art der Umsetzung). Soviel zum Wortverständnis.
Arten der Innovation
Innovationen lassen sich in verschiedene Arten* unterteilen:
- Geschäftsmodell: Neue Wege & Funktionsweisen des Geschäfts eines Unternehmens
- Organisation und Struktur: Organisatorische oder strukturelle Innovationen
- Netzwerk und Kollaboration: Neue Arten der Zusammenarbeit
- Prozess: Neue Ausführungsweisen – u.a. Strategisches Prozess Management, Prozessgestaltungen (BPM) und Prozessausführungen
- Methodik: Neue Herangehensweisen – u.a. neues Verfahren, Erkenntniswege, Konzeptionsarten, neue Techniken beim Denken oder Tun.
- Technologie und Forschung: Neue Technologie oder technologische Umsetzung – u.a. im Bereich der IT, Medizin-Technologie, Medikamente (Neuer Wirkstoff oder neue Rezeptur)
- Produkt: Neue Angebote, mit neuen Eigenschaften, Funktionsweisen und Inhalten
- Service: Neue Dienste, für neue oder andere Nutzbarkeiten
- Kanal: Neue Wege, mit denen ein Angebot oder Service genutzt werden kann
- Marke und Marketing: Neue Arten der Marken-Ausgestaltung und Vermarktung der Marke und ihren Angeboten
- Kunden Einbezug & Engagement: Neue Möglichkeiten und Umsetzungen, Kunden einzubeziehen oder zu verstehen oder Kundenbindungen zu erschaffen und zu bewirtschaften
*in Anlehnung an Jay Doblin 1997, Larry Keeley/Harvard Business Review 1999, Oslo Manual 2018 – mit Ergänzungen durch den Autor dieses Artikels.
Innovationen im digitalen Zeitalter
Durch den Einsatz von neuen Technologien kann etwas komplett Neues und noch nicht Dagewesenes erschaffen, oder eine bestehende Lösung digital und besser gemacht werden. Wird eine bestehende Lösung neu digital umgesetzt, ist es entscheidend, dass die Digitalisierung zu einem Mehrwert führt. Dies wird durch die gezielte und gekonnte Nutzung der vielen neuen Möglichkeiten des Digitalen erzielt. Nur selten werden bestehende Lösungen Eins-zu-eins digitalisiert – sie sind dann meist nicht erfolgreich.
Beispiele für erfolgreiche digitale Produkt- und Geschäftsmodelle sind das iPhone (erstes erfolgreiches Smartphone sowie in sich geschlossenes digitales Ecosystem) sowie das erste Tesla-Elektroautomodell (erstes kommerziell erfolgreiches Elektroauto, u.a. auf Grund der Batterielaufzeit sowie erstes durch eine Marke ausschließlich digital- und direktvertriebenes Automobil).
Die Magie des Zufalls: das Serendipity-Prinzip
Eine (innovative) Idee kann sowohl per Zufall („Blitzidee unter der Dusche“) wie auch gezielt entstehen. Auch bei gezielt erschaffenen Ideen spielt das Serendipity-Prinzip einen entscheidenden Faktor („Glücklicher Zufall-Prinzip“).
Viele der größten Innovationen der Menschheit entstanden „durch Zufall“, wie z.B. das erste Antibiotika: Alexander Fleming entdeckte es im Jahr 1928 nur deshalb, weil er eine Bakterienkultur offen im Labor liegen ließ und in den Urlaub fuhr. Nach seiner Rückkehr bemerkte er, dass in der unverschlossenen Petrischale sich der Schimmelpilz „Penicillium“ gebildet hatte und dieser die Bakterien vernichtete. Alexander Fleming bemerkte die Bedeutung seiner Entdeckung und experimentierte damit weiter. Erst Jahre später – nach viel Forschungsarbeit und Produktentwicklung – kam Penicillin 1942 als erstes Antibiotikum der Welt auf den Markt, und veränderte die Medizin und das Leben von Milliarden Menschen für immer (vgl. Artikel im Geo-Magazin).
Dieses und andere Beispiele1 sind für die gezielte Erschaffung von Ideen durch Anwendung des Serendipity-Prinzips von Bedeutung.
Förderung von Innovationen in einem Unternehmen
Die gezielte Erschaffung von (Innovations-) Ideen kann gefördert, jedoch nicht zwingend garantiert werden. Oftmals entstehen sehr gute und innovative Ideen im Alltag. Sei es bei Gesprächen mit Kund*innen oder bei der alltäglichen Arbeit, beim Tun. Oftmals werden diese jedoch nicht als solche wahrgenommen und bewertet, oder durch die Führungskräfte genügend gefördert, damit das Unternehmen nachhaltig profitiert und aus der Idee eine wirksame Innovation im Unternehmen wird.
Wichtige Prinzipien im Management und Förderung von Innovationen
In der Folge werden wichtige Prinzipien beschrieben, inkl. den Aspekten des Serendipity-Prinzipes. Sie helfen, Ideen gezielt zu erschaffen und als Innovationen in Unternehmen zu nutzen:
- Ideen entstehen immer beim einzelnen Menschen und nicht in der Gruppe.
- Ideen entstehen dabei oft per Zufall – ein Gedanke nebenbei.
- Die richtige Umgebung im Unternehmen sowie Unternehmenskultur ermöglichen oder verunmöglichen die Erschaffung wie auch die Umsetzung von guten Ideen und somit ein natürliches organisches Innovationsmanagement. Es sollte u.a. eine Kultur gelebt werden, in der keine Idee als schlecht angesehen wird.
- Es darf keine Vorgaben und vorgängige Prüfung bei der gezielten, nicht organischen, Ideen-Kreation geben (z.B. in Workshops). Vorgaben wie „nicht rentabel“, „wir brauchen die 100 Mio. € Idee“ oder „nicht machbar“ sind vernichtend für die Erschaffung von Ideen.
- Die Erschaffung von Ideen ist ein Prozess. Selten ist die erste Idee ausgereift oder am Ende auch die finale und beste Idee. Ideen bringen Menschen dazu, auf andere, neue Ideen zu kommen.
- Ideen sollten gesammelt werden in einem Unternehmen. Manchmal ist die Zeit schlicht noch nicht gekommen für eine Idee – es gibt anderes, das zurzeit wichtiger ist, oder die Grundlagen für die Umsetzungen sind noch nicht vorhanden (z.B. die Technologie).
- Die Ideen-Sammlung sollte abteilungsübergreifend in einem Unternehmen stattfinden – und Ideen-Weiterverfolgung und damit das Innovationsmanagement systematisch im Unternehmen betrieben werden. Empfehlenswert ist es z.B. eine „Ideas Owner“ für die Verwaltung der Ideen-Sammlung zu bestimmen. Diesem*r wird ein Arbeitspensum gegeben, um die Ideen regelmäßig zu kategorisieren und den Prüfungsprozess zu gestalten. Die Person darf jedoch niemals Ideen verändern, priorisieren oder gar löschen.
- Die Ideen sollten regelmäßig geprüft sowie umgesetzt werden. Dafür ist es notwendig, dass das Unternehmen dies ernst nimmt und entsprechende Ressourcen pro Monat zur Verfügung stellt. Die Umsetzung kann in den jeweiligen Abteilungen oder in einer gesonderten Organisationseinheit geschehen.
- Die Besprechung von Ideen in einer Gruppe ist wichtig, um Ideen kritisch zu prüfen und dadurch zu verbessern. Einzelne Ideen werden durch die Personen einer Gruppe miteinander verknüpft und andere Personen können eine Idee weiterdenken und erweitern. Entsprechend ist es empfehlenswert, die Ideen-Prüfung in einem Gremium durchzuführen sowie im Unternehmen regelmäßige Veranstaltungen zur Besprechung und Entwicklung von Ideen zu schaffen.
- Da die Erschaffung von wirksamen Ideen ein Prozess ist – siehe Punkt 5. – ist es empfehlenswert, dass alle Mitarbeitenden regelmäßig Zeit haben, um die Ideen-Sammlung zu betrachten, Ideen weiterzuentwickeln und basierend auf bestehenden Ideen neue zu erschaffen. Dabei werden sie auch auf komplett neue Ideen kommen – Raum schafft zusätzliche Kreativität.
- Ideen inspirieren dazu Menschen oft zu neuen, weiteren Ideen. Wichtig dabei ist die Berücksichtigung des ersten Punktes: Die Ideen werden durch einzelne Menschen erzeugt, und nicht durch die Gruppe. Dies ist auch bei Gruppenarbeiten der Fall, und ein oft beobachtetes Missverständnis (zusammen „Brainstormen“). Die Gruppe ist wichtig als Impulsgeber, sowie damit die einzelnen Menschen Ideen verknüpfen oder neu denken können. In der Gruppe krampfhaft neue Ideen erzwingen zu wollen, ist nicht zielführend. Ein „Brainstormen“ suggeriert oftmals genau dies, und widerspricht den Prinzipien.
- Durch die Gruppenarbeit oder Workshop wird ein zusätzlicher Raum erschaffen. Dieser kann in Unternehmen wichtig sein, um der Ideen-Weiterverfolgung entsprechendes Gewicht und Zeit beizumessen (siehe auch Punkt 10.).
- Die Bereitschaft und Neugierde zu beobachten, dabei Neues zu entdecken und damit zu arbeiten, ist ein wesentlicher Aspekt des Serendipity-Prinzips und deshalb auch für die gezielten Erschaffung von Ideen. Oftmals verhindert die Unternehmenskultur dies. Es sollte entsprechend vom Management darauf geachtet werden, diese Neugier und Bereitschaft zu fördern – und nicht zu bestrafen. Diese Neugier und Bereitschaft bedingt auch, dass Mitarbeitende Zeit haben, um an Ideen hartnäckig dranzubleiben – wie es Herr Fleming auch tat – und dass ihre Begeisterung dafür gefördert anstelle gehemmt wird.
- Diese Offenheit sollte im Unternehmen im Rahmen der Unternehmenskultur gefördert werden. Es sollte kein zeitlicher und quantitativer Druck bestehen. Entsprechend sollten Ideen losgelöst vom Erschaffer*in bewertet werden, und Tools wie Ranglisten etc. sind zu vermeiden.
- Idealerweise geschieht der Ideen-Erzeugungsprozesses während sowie zusätzlich zur normalen Arbeit. Ideen können dadurch fortlaufend entstehen – während der Arbeit, in der Freizeit, oder in Gesprächen an der Kaffeemaschine. Das Unternehmen muss bereit sein, diese Sonderleistungen der Arbeitnehmer*innen wertzuschätzen (in Zeit oder Geld).
- Die Eruierung von bestehenden Bedürfnissen seitens der Konsumenten kann als Grundlage und Ideengeber genutzt werden. Dazu kann sie darüber hinaus als überprüfende Instanz bei der Prüfung der Ideen angewendet werden (Existiert für eine Idee ein Bedürfnis oder konnte es eins geben?).
- Eine Analyse des Marktes und der vorhandenen Lösungen kann zusätzlich als Ideengeber genutzt werden („Was kann anders und dadurch besser gemacht werden“) sowie als Überprüfungsinstanz („Gibt es dafür bereits eine Lösung und wie erfolgreich ist sie?“).
- Impulsgeber*innen von außen reinzuholen – Kund*innen, Personen aus der Zielgruppe oder freie Mitarbeiter*innen – können helfen, die eigene Blase zu durchbrechen. Diese ergänzen die aus der Innensicht entstandene Ideen um Weitere, und helfen dazu, bestehende Ideen zu hinterfragen und zu verbessern. Werden Innovationsideen umgesetzt, sollten Externe immer beteiligt sein, damit die Innovation auch wirklich den Bedürfnissen und der Usability der Endkonsumenten entspricht (vgl. u.a. Lean Startup Ansatz).
Die hier vorgestellten 18 Prinzipien können sicherlich um Weitere ergänzt werden – ich freue mich entsprechend über ihre Prinzipien als Kommentar unterhalb dieses Artikels.
Innovation Management als fester Bestandteil der Unternehmenskultur und -prozesse
Die wichtigste Aussage daraus ist, dass das Innovation Management als fester Bestandteil der Unternehmenskultur und -prozesse im Unternehmen verankert wird. Nur so kann das vorhandene Potential im Unternehmen genutzt werden, und dadurch ein effektives und dazu sehr effizientes Innovationsmanagement im Unternehmen ermöglicht werden.
1 Weitere Beispiele und Informationen zum Serendipity-Prinzip.
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