Warum Marken nicht zu ethischen Leitfiguren werden dürfen – eine Replik

Was ist hier los? Marken werden ethisch. Ist das gut?

Vor einigen Wochen las ich auf absatzwirtschaft.de die Kolumne meines sehr geschätzten Kollegen und Ex-Chefs Jan Pechmann, Geschäftsführer der Strategieagentur diffferent. Der Titel lautete „Vom Feigenblatt zum USP – Marken werden zunehmend zu ethischen Leitfiguren“.

Die Aussage hinter der griffigen Headline sorgte bei mir für ein diffuses Unbehagen. Mit dieser Replik möchte ich dieses Unbehagen klarer fassen.

Vorneweg: Ich persönlich hoffe nicht, dass Marken und Unternehmen in Zukunft zu ethischen Leitfiguren werden.

„Es fehlt an Orientierung. Auch bei der Frage, was richtig und falsch ist.“

Ich bin mit Jan völlig einer Meinung: Auf der Weltbühne finden gerade verwirrende Schauspiele statt. Wir leben in einer geschichtsträchtigen Epoche, die weitreichende globale Verschiebungen nach sich ziehen wird. So viel ist sicher. Da kann die innere moralische Kompassnadel mitunter ganz schön verrückt spielen.

Ich teile diesen Kulturpessimismus, sehe ebenso wie Jan einen Werteverfall, der sich mimetisch zwischen politischer Korrektheit und totalitaristischen Ansichten tarnt.

Das ist fatal. Es fehlt an Werte-Orientierung. Überhaupt fehlt es zunehmend an der individuellen aber auch gesellschaftlichen Kompetenz, Geschehnisse aber auch Werte und Normen in einen sinnstiftenden Kontext zu setzen. Uns – damit meine ich die von der Aufklärung geprägten Staaten und somit auch Märkte – entgleiten zusehends die Instrumente für moralische Bewertungen.

Moralisch scheint das zu sein, was pragmatisch ist. Die globale politische Elite lebt es vor. Leider.

Moralisch ist, was dem Aktienkurs dient

Aber warum sollen ausgerechnet Marken, also nach Gewinn strebende Unternehmen und Konzerne, die sich zudem im „globalen Wertevakuum“ bewegen – was bei uns moralisch positiv bewertet wird, kann in anderen Kulturkreisen anders besetzt sein – als ethische Leitfiguren etablieren?

Jan hat hierfür eine Antwort: die Medienkrise.

„Früher waren die Intellektuellen im Feuilleton die progressiven Meinungsmacher. Das Vertrauen in die Medien ist durch Fake News und Co. auf einem Tiefstand. Die Rolle als Leitfiguren übernehmen nun Marken. Denn ihre Reichweite und ihre Einbettung in die Lebenswelt der Menschen sind um ein Vielfaches höher – ganz besonders bei der Generation Y.“

Medien (-marken) haben ihre Transponder-Funktion scheinbar verloren und (Konsumenten-) Marken sollen nun einspringen. Marken sollen mir (als Konsument) sagen, was „gut“ und was „böse“ ist. Aber warum ist es wichtig, dass das nicht geschieht?

Wir brauchen Medien- (Unternehmen), die ihr Geld damit verdienen, Diskurse anzustoßen und aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Wir brauchen Journalisten, Philosophen, Politiker die vom Thema her kommen und keine Marketingfachkräfte oder Unternehmenskommunikatoren, die aus einem Produkt oder einer Dienstleistung heraus argumentieren.

Oder aus der Marke heraus, die dann alle paar Jahre neu positioniert wird und dann auch gleich das moralische Umfeld wechselt.

Wir brauchen eine Zivilgesellschaft, die für Rechte kämpft, die mobilisiert und Stellung bezieht. Es darf auch kontrovers zugehen, muss es sogar.

Ich möchte nicht, dass mir plötzlich ein Schokoladenriegel erklärt, wie ich mich ethisch korrekt zu verhalten habe.

Oder dass mir eine Fluglinie erklärt, was sie für moralisch verwerflich hält.

Geschweige denn ein Autohersteller, der mir vielleicht etwas von der wichtigen Bedeutung von Ehrlichkeit und Authentizität erzählt.

Verkauft mir stattdessen hervorragende Produkte, verkauft mir die besten Services und von mir aus auch Träume.

Aber bitte verkauft mir keine Moral. (Social Entrepreneurship ausdrücklich exkludiert!)

Es braucht keinen Dax-30-Debattierclub

Damit die moralgetünchten Werbekampagnen retrospektiv nicht so wirken wie „abgewickelte“ CSR-Maßnahmen mit einer Greenwashing-Aura, hier einige ganz simple Maßnahmen, wie Marken und Unternehmen sich moralisch verhalten können, ohne dabei den Zeigefinger auf Konsumenten zu richten.

  • Kommt eurer Steuerpflicht nach.
  • Bezahlt und behandelt Mitarbeiter fair.
  • Behandelt Konsumenten nicht wie Idioten.
  • Arbeitet mit Dienstleistern auf Augenhöhe zusammen.

Das wäre ein Anfang, hier bin ich Optimist.

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